Die Enterbung durch letztwillige Verfügung – sei es Testament oder Erbvertrag – führt häufig zu erheblichen familiären Konflikten. Wer als gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen wird, empfindet dies nicht selten als ungerecht. Gleichwohl bedeutet eine Enterbung nicht zwingend, dass keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Das deutsche Erbrecht gewährt bestimmten nahen Angehörigen trotz Enterbung einen Mindestschutz in Gestalt des Pflichtteilsrechts..  

1. Rechtsgrundlagen des Pflichtteilsrechts

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 2303 ff. BGB. Danach haben Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel), der Ehegatte sowie unter Umständen die Eltern des Verstorbenen einen Pflichtteilsanspruch, sofern sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Der Pflichtteil sichert ihnen eine Geldforderung in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Es handelt sich also nicht um einen Anteil am Nachlass selbst, sondern um einen reinen Zahlungsanspruch gegen die Erben.

2. Berechnung des Pflichtteils 

Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Hierbei ist zunächst der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zu ermitteln, der sich aus den Regelungen der gesetzlichen Erbfolge ergibt. Anschließend wird dieser Betrag halbiert. Zur Berechnung des Nachlasswerts sind sowohl Aktiva (Immobilien, Bankguthaben, Wertgegenstände) als auch Passiva (Schulden, Verbindlichkeiten) zu berücksichtigen.

Besondere Bedeutung hat in der Praxis das Pflichtteilsergänzungsrecht (§ 2325 BGB). Hat der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen, können diese – abhängig von der zeitlichen Nähe zum Erbfall – den Pflichtteil erhöhen.

3. Durchsetzung des Pflichtteils

Da Pflichtteilsansprüche häufig mit Informationsdefiziten verbunden sind, steht dem Berechtigten ein Auskunftsanspruch gegen die Erben zu (§ 2314 BGB). Dieser umfasst ein detailliertes Nachlassverzeichnis, bei Bedarf auch durch einen Notar aufgenommen. Erst auf dieser Grundlage lässt sich der Pflichtteilsanspruch konkret beziffern und gerichtlich durchsetzen.

Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs tritt gemäß § 2332 BGB grundsätzlich in drei Jahren ein, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat.

Gerne berate ich Sie zu Ihren Fragen und unterstütze Sie bei Ihren Fragestellungen. 

Sylvia Weiße – Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

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