Die elterliche Sorge steht gemäß § 1626 BGB grundsätzlich beiden Elternteilen gemeinsam zu. In bestimmten Fällen kann jedoch die alleinige elterliche Sorge auf einen Elternteil übertragen werden. Dies setzt voraus, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht oder einer der Elternteile nicht zur gemeinsamen Ausübung bereit oder fähig ist.

 

Gründe für die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge

Die Familiengerichte prüfen eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stets unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls. Die häufigsten Gründe für eine Übertragung sind:

  1. Fehlende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern
    • Wenn die Eltern dauerhaft nicht in der Lage sind, in wesentlichen Belangen des Kindes zusammenzuarbeiten, kann dies eine alleinige Sorge rechtfertigen. Ein fortgesetzter schwerwiegender Konflikt, der das Kind belastet, kann gegen eine gemeinsame Sorge sprechen.
  2. Vernachlässigung oder Kindeswohlgefährdung
    • Liegen Anhaltspunkte für Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch des Kindes durch einen Elternteil vor, kann das Gericht die alleinige Sorge auf den anderen Elternteil übertragen, um das Kind zu schützen (§ 1666 BGB).
  3. Nachhaltige Verweigerung der Mitwirkung durch einen Elternteil
    • Wenn ein Elternteil sich konsequent der Verantwortung entzieht oder keine Entscheidungen zum Wohl des Kindes trifft, kann dies zur Entziehung der Mitsorge führen.
  4. Schwerwiegende psychische Erkrankungen oder Suchtprobleme eines Elternteils
    • Besteht aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer Suchterkrankung eine Gefahr für das Kindeswohl, kann dies die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den gesunden Elternteil rechtfertigen.
  5. Unvermögen eines Elternteils, sorgerechtsrelevante Entscheidungen zu treffen
    • Ein Elternteil kann auch dann die elterliche Sorge verlieren, wenn er dauerhaft nicht in der Lage ist, verantwortungsvolle Entscheidungen für das Kind zu treffen. Dies kann beispielsweise bei einer erheblichen kognitiven Beeinträchtigung, einer schweren psychischen Erkrankung oder einer intellektuellen Einschränkung der Fall sein. Ist der betroffene Elternteil nicht in der Lage, die schulische, medizinische oder allgemeine Entwicklung des Kindes angemessen zu begleiten und Entscheidungen zu dessen Wohl zu treffen, kann eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil notwendig sein.
  6. Entfremdung oder Manipulation des Kindes
    • Wird das Kind durch einen Elternteil manipuliert oder entfremdet („Eltern-Kind-Entfremdung“), kann dies ebenfalls eine Übertragung der alleinigen Sorge begründen.

Antragstellung und gerichtliches Verfahren

Der Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge ist gemäß § 1671 BGB beim zuständigen Familiengericht einzureichen.

  • Der antragstellende Elternteil muss darlegen, warum die gemeinsame Sorge nicht dem Kindeswohl entspricht.
  • Das Gericht holt in der Regel eine Stellungnahme des Jugendamtes ein und kann weitere Sachverständigengutachten anfordern.
  • Kinder ab 14 Jahren werden regelmäßig angehört, um ihre Wünsche zu berücksichtigen.
  • In vielen Fällen wird ein Verfahrensbeistand gemäß § 158 FamFG bestellt. Dieser vertritt die Interessen des Kindes im Verfahren und vermittelt zwischen den Eltern und dem Gericht. Die Empfehlung des Verfahrensbeistands spielt häufig eine entscheidende Rolle bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung, da er das Kindeswohl neutral bewertet und dem Gericht wertvolle Erkenntnisse liefert.
  • Das Gericht entscheidet anhand der Gesamtumstände, wobei die Grundsätze des Kindeswohls maßgeblich sind.

Die alleinige elterliche Sorge wird nur in Ausnahmefällen übertragen. Eine fundierte rechtliche Begründung und eine sorgfältige Vorbereitung des Antrags sind daher essenziell.

Gerne berate ich Sie zu Ihren Fragen und unterstütze Sie bei Ihren Fragestellungen. 

Sylvia Weiße – Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

Familienrecht

Sorgerecht und Urlaubsreisen: Was getrennt lebende Eltern beachten sollten

03.06.2025

Wenn Eltern getrennt leben, stellt sich oft die Frage, wer über Urlaubsreisen des Kindes entscheiden darf. Besonders wichtig ist hierbei die Abgrenzung zwischen den Entscheidungen des täglichen Lebens  und solchen von erheblicher Bedeutung.

Familienrecht

Inobhutnahme meines Kindes durch das Jugendamt – Was tun?

24.03.2025

Die Inobhutnahme eines Kindes durch das Jugendamt ist ein drastischer Eingriff in das Elternrecht und stellt betroffene Eltern vor große Herausforderungen. In diesem Artikel erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen eine Inobhutnahme erfolgt, welche Rechte und Pflichten Sie als Eltern haben und wie Sie sich rechtlich dagegen wehren können.

Familienrecht

Was ist das Gewaltschutzgesetz?

27.11.2024

Das Gewaltschutzgesetz bezweckt den Schutz einer Person vor allen Formen von Gewalt im privaten und häuslichen Bereich und auch vor Stalking. Eine Anwendung kommt nicht nur in Betracht, wenn es bereits zu einem Vorfall gekommen ist, sondern auch präventiv, wenn Gewalt angedroht wurde.